Kündigung bei eGym - oder das 6 Stunden Frühstück
Wir hatten gerade die finalen Zusagen für unser Investment zur Gründung einer Studiokette erhalten und waren somit super happy. Wenn da nicht nur noch eine wirklich sehr unangenehme Sache gewesen wäre: Die Kündigung bei eGym.
Bei eGym hatte ich als ca. dreißigster Mitarbeiter begonnen (Lukas als Nummer 32). Ich war damals nach der ersten richtigen Finanzierungsrunde eingestiegen und hatte das Glück in das Management Team aufgenommen zu werden.
Bei 30 festen Mitarbeitern hört sich das vlt. noch nach nicht so viel an, aber wir hatten damals schon eine Finanzierungsrunde in der Höhe von 15 Mio Euro gemacht, was für deutsche Firmen (vor allem im Fitnessbereich) schon wirklich viel war, und was auch bedeutet, dass unsere Firma relativ hoch bewertet wurde. Das Ganze war Anfang 2014 und die nächsten 4 Jahre waren ein absoluter Wachstums-Ritt. Als Firma wuchsen wir von knapp 30 Leuten auf ca. 400 Mitarbeiter, von einem Land auf ca. 15 Länder und von einem Kunden auf mehrere tausende. Gestartet hatte ich als Verantwortlicher einer neuen Wachstumsinitiative innerhalb von eGym und wurde beauftragt eine Plattform zur Leadgewinnung für Fitnessstudios zu bauen.
Lukas war damals die erste Person, die ich selbst eingestellt hatte und gemeinsam sollten wir das Projekt “Neukundengewinnung” aufbauen. Innerhalb der nächsten Jahren wuchs eGym aber so rasch, dass sich auch neue Rollen ergaben. Letztlich hatte ich mich Richtung Marketing und Vertrieb entwickelt und war die beiden letzten Jahre für eGym als Chief Commercial Officer global für alle Vertriebsthemen mit einem Sales/Marketing Team von fast 100 Leuten verantwortlich. Man kann sagen, dass Lukas und ich für die Firma lebten: Wir waren jeden Tag bis min. 22 Uhr im Office, organisierten Parties und veranstalteten verrückte Teamevents. Dementsprechend war es für uns beide und im Besonderen für mich extrem schwer diese Firma/Familie zu verlassen. Am besten beschreibt es eigentlich die Tatsache, dass Arbeiten für uns eher ein Hobby war. Am Wochenende etwas für die Firma zu tun fühlte sich nie wie Arbeit an, sondern wir wollten einfach Dinge voranbringen. Wir wollten wissen was gerade passiert oder was man noch tun könnte. Für mich war eGym nicht nur wegen der Kultur, der Vision und der Menschen etwas Besonders, sondern ich fühlte mich auch als Mini-Unternehmer – hier hatte ich für mich schon festgestellt, dass ich nie wieder normal angestellt sein wollte. Gegeben all dieser Dinge war das Gespräch mit meinem Chef, dem Gründer von eGym, eine wirklich schwere Sache. Auf der anderen Seite wusste ich, dass die Chance auch einmalig ist und wir jetzt den Schritt Richtung Ausgründung gehen müssen. Es war so ca. Mitte des Sommers 2017 und ich hatte die letzten drei Monate sehr wenige Interaktionen mit meinem Chef. Er ließ mir eigentlich jeden Freiraum und ich konnte recht autonom arbeiten. Deshalb war es für ihn etwas überraschend, dass ich ad hoc um einen persönlichen Termin bat.
In klassischer Manier meines Chefs kam im ersten Schritt ein Überblick an Dingen die gerade extrem gut liefen, wie er eGym in der Zukunft noch viel größer machen will und was er für uns als Chancen identifiziert hat. Wie immer war dieser “Pitch” extrem inspirierend, da er einfach riesig dachte/denkt – für ihn gibt es nur ein klares Ziel, und das heißt Weltmarktführer im Bereich Fitness zu werden. Nach all diesen positiven Dingen, die er berichtet hatte, war es für mich natürlich nochmals viel schwerer das Thema auf “wie sehe ich meine Zukunft” zu lenken.
"Er gab mir seinen Segen, und nicht nur das, er versprach mir auch maximalen Support und Hilfe."
Ich kann gar nicht mehr genau sagen, wie ich den Schwenk geschafft habe, aber letztlich nahm ich mir dann den Mut und sagte ihm, dass ich gerne das umsetzen würde, was wir als Firma immer schon predigen, aber nicht tun können, weil wir kein Wettbewerber zu unseren Kunden werden können. Was so viel heißt wie eine eGym Studiokette zu bauen.
Eine Zeit lang versuchte er mich davon zu überzeugen, dass eGym mir eine riesen Chance bietet, die ich so, nicht so schnell wieder bekommen würde (was auch sicherlich stimmt): Globaler Sales Leader mit einer hohen Umsatzverantwortung, C-Level, Aufbau von neuen Ländern, großes Team und noch viel mehr. Er merkte aber relativ schnell, dass meine Entscheidung gefallen war und machte dann einen Schritt für den ich sehr großen Respekt habe: Er sagte mir, dass er mich bei allem unterstützen würde, und dass er sich riesig freut , wenn jemand das umsetzt, für das wir jeden Tag kämpfen – er gab mir seinen Segen, und nicht nur das, er versprach mir auch maximalen Support und Hilfe. Letztlich ging unser Gespräch über fast 6 Stunden, aber so hatten wir uns auch wirklich ausgesprochen, hatten reinen Tisch gemacht und konnten so auf die nächsten Schritt fokussieren. Ich versprach ihm, dass ich so lange bleiben würde bis wir einen Nachfolger haben, und dass ich noch die wichtigste Messe Anfang 2018 machen würde, was bedeutete, dass ich mit 9 Monaten Vorlauf kündigte. Wir behielten diese Information noch unter uns beiden, da wir das Team erst dazu abholen wollten, wenn die Investoren informiert waren und wir einen Nachfolger präsentieren konnten. Jetzt hieß es einen Nachfolger finden…